Eine große Freude bereiteten uns dieser Tage die naturkundlichen Fachleute des Landes Rheinland-Pfalz im Zusammenwirken mit der oberen Jagdbehörde. Bei der jährlichen Kleintierzählung in den privaten und kommunalen Forsten wurde erstmals eine bislang in unseren Breiten nicht heimische Kleintierart festgestellt. Drei Exemplare des breitköpfigen Stieleisbohrers sind im „Hahn-Wald“, zwei weitere in der Klopp, in der Gemarkung Kyllburg beobachtet worden. Der scheue, pelzige Waldbewohner ist ansonsten nur in den Regionen um den Polarkreis beheimatet. Wie eine kleinteilige Population in unseren Wäldern an der Kyll heimisch werden konnte, ist bislang allen Beteiligten ein Rätsel.
Bei dem breitköpfigen Stieleisbohrer handelt es sich um ein etwa doppel-maulwurfgroßes Nagetier mit dichtem, gelb-braunem Fell, das bauchseitig in glänzendes Weiß übergeht. Der niedliche Nager liebt Totholzbereiche in Mischwäldern. Seine Brunftzeit ist im März und April. Auffällig der Brunftruf des Weibchens, der an das Geräusch einer nicht geölten Zimmertür erinnert. Die Stieleisbohrer-Fähe wirft zweimal jährlich bis zu fünf Junge, die über drei Monate gesäugt werden. Der Rüde ist in dieser Zeit mit der Nahrungsbeschaffung zugange und versorgt seine „Familie“ mit dem Notwendigsten.
Der breitköpfige Stieleisbohrer gilt als besonders scheu, dies im Gegensatz zu seinem Verwandten, dem schmalköpfigen Nackteisbohrer, der besonders in den Sommermonaten auch die Nähe des Menschen in freier Wildbahn, vor allem an Fließgewässern, sucht.
Ob die Ursachen der Lebensraumverschiebung den Auswirkungen des Klimawandels oder einer Laune der Natur zuzuschreiben sind, stellt die Wissenschaft noch vor ungelöste Fragen.
Die Bevölkerung wird gebeten, sich in den nächsten Wochen, im Wald möglichst leise zu verhalten und sich nur im Flüsterton zu unterhalten, damit Brunft- und Aufzuchtverhalten der Nager nicht gestört werden. Dem Fotografen gelang eines der seltenen Fotos, die vom breitköpfigen Stieleisnager weltweit verfügbar sind. Deutlich zu sehen, das breite Köpfchen mit dem charakteristischen Mopsgesicht, das große Ähnlichkeit mit dem sturköpfigen Kleinwalzer besitzt, aber mit diesem, eher beißwütigen, kleinen Räuber keinesfalls verwechselt werden darf. Eine Gefahr geht von den Tieren grundsätzlich nicht aus. In einzelnen Fällen ist jedoch beobachtet worden, dass sich Rüden während der Brunftzeit rudelweise an einzelne Spaziergänger herangepirscht haben und, auch bei rastenden Wanderern, Lebensmittel gestohlen haben. Die hierbei angewandte Taktik zur Beutebeschaffung lässt Schlüsse auf die Intelligenz der Tierchen zu. Provozieren zwei oder drei Rüden Streicheleinheiten mit ihrem typischen und durchdringen „Eeeejjloooh“-Rufen, macht sich der Rest des Rudels, meist erfolgreich, über die Verpflegung der Wanderer her.